Alina (Name geändert) war 16 Jahre alt, als sie mich auf der Stallgasse abpasste und mich um Hilfe bat. Der Vater einer Einstellerin (14 Jahre) habe sie mehrfach angefasst und körperlich bedrängt. Alina war kein schüchterner Teenager. Ihre Eltern hatten eine Gaststätte und dort jobbte sie als Kellnerin am Wochenende, um sich ihr Pferd zu finanzieren. Alina war das, was man heute ein richtig toughes Mädchen nennt. Sie kannte dumme Sprüche und war nicht auf den Mund gefallen. Doch jetzt wusste sie nicht mehr weiter und bekam mittlerweile sogar Angst, besagtem Mann im Stall zu begegnen, wenn sonst niemand da war. Daraus wurde auch deutlich, dass er angefangen hatte, ihr aufzulauern.

Ich war damals Anfang 20 alt und ich war entsetzt. Alina erzählte mir, dass sie den Vorstand schon vor Tagen informiert habe, aber das Gefühl hatte, es passiert gar nichts. Ihre Angst wuchs.

Das war der Moment, wo ich stinksauer wurde und ihr versprach, dass ich mich sofort kümmere und sie auch sofort eine Rückmeldung bekommt.

Ich rief die Vorstandsmitglieder an und erfuhr, dass man bescheid wisse und noch nicht sicher war, wie man mit der Situation umgehen soll. Ich fand das damals ungeheuerlich und mein Ärger veranlasste den Vorstand, sofort im Stall zusammenzukommen und eine Entscheidung zu fällen. Das sagte ich auch Alina, die zunächst einmal sichtlich erleichtert war.

Im Gespräch mit dem Vorstand wenig später, bei dem ich, aber nicht Alina, anwesend war, wurde mir klar, dass der Vorstand (4 Männer, eine Frau) in einer gewissen Schockstarre war. Die Frau war sowieso eher still. Und die Männer, die nicht an Alinas Worten zweifelten, konnten sich nicht zu einer Entscheidung durchringen. Mein Wutanfall schien sie aber aus dieser Starre zu reißen. Ich erfuhr, dass ein erstes Gespräch mit dem Mann stattgefunden hatte. Alina darüber zu informieren, auf die Idee war man nicht gekommen. Das wäre immens wichtig gewesen, denn Alina fühlte sich mit ihrem Vorwurf ignoriert, nicht ernstgenommen und es fehlte umgekehrt die Rückmeldung an den Vorstand, dass die Übergriffe nicht aufgehört hatten.

Was ich mir den vorstellen würde als Maßnahme, wollte man damals von mir wissen. Ich bestand auf ein sofortiges Hofverbot, zumal unstrittig war, dass die Vorwürfe der Wahrheit entsprachen. Das könne man aber nicht umsetzen, dann würde ja jeder mitbekommen, das was nicht stimmt. Ich betonte, dass das ja auch der Fall sei.

 „Es stimmt etwas ganz und gar nicht!“

Nach einer längeren Diskussion konnte sich der Vorstand durchringen, ein Hofverbot auszusprechen, das ab sofort galt. Das habe ich umgehend Alina mitgeteilt, die unendlich dankbar war.

Der Verein entschied außerdem, dass ab sofort die ehrenamtliche Stelle einer Vertrauensperson geschaffen wird. Man hatte erkannt, dass hier fast ein furchtbarer Fehler passiert wäre, der noch schlimmere Folgen hätte haben können. Es gab keinen Ärger mehr. Der Mann betrat den Hof nie wieder.

Das war Ende der 1980er

Heute sind die Regeln für die Prävention und Strategien im Handlungsfall klar formuliert und damit unmissverständlich.

Bezogen auf unseren Fall war die Herangehensweise – lässt man die zeitliche Verzögerung mal außen vor – schon recht gut. Der Vorstand hat die Vorfälle sehr ernstgenommen, war aber hilflos im Umgang mit den Konsequenzen. Nach einem erfolgten „Tritt“ folgte die Reaktion innerhalb weniger Stunden.

Heute wären die Folgen für den Täter weitaus schwerer gewesen, wenn der Verein den Richtlinien folgt. Und das ist auch richtig so. Kinder und Jugendliche müssen sich im Stall sicher fühlen. Eltern müssen wissen, dass der Verein auf seine Mitglieder achtet.

Flache Hierarchien ohne Machtgefälle machen Kinder und Jugendliche mutiger, sich Hilfe zu holen. „Kernige Stammtischparolen“ und Sticheleien sind zu unterlassen, ganz besonders wenn sie entwürdigend sein könnten. Denn schon dort fängt der Missbrauch an.

Die Zeiten von „Die sollen sich mal nicht so anstellen“, sind lange vorbei. Und das ist auch gut so!

Wenn noch nicht geschehen, bitte sprechen Sie das Thema in Ihrem Verein an. Machen Sie Ihre Haltung deutlich. Übernehmen Sie die Verantwortung. Über die Landessportbünde können Sie sehr lehrreiche Seminare buchen, die auch in Ihrem Stall stattfinden können.

#keinraumfürmissbrauch

Bei der FN können Sie Poster mit klarer Botschaft kostenlos bestellen. Das kann beim nächsten Turnier ein gutes Signal für Ihre klare Haltung sein.  

 

Danke für Ihr Engagement!

 

Carola Schiller

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