Am 5. Januar hat sich in den Wäldern des südhessischen Modautal eine Katastrophe ereignet. Eine 28jährige bricht mit ihrem Reitbeteiligungspferd und ihrem Labrador zu einem Ausritt aus. Als sie am Abend nicht zurückkehrt, ruft die Besitzerin des Fjordpferdes die Polizei, die sich mit Hundestaffel, Wärmebildkamera und Hubschrauber auf die Suche begibt. Noch spät am Abend wird das schwerverletzte Pferd gefunden. Die Reiterin und den Hund können sie erst in den frühen Morgenstunden aufspüren. Für die junge Frau kam jede Hilfe zu spät. Ein Albtraum für die Familie, für Freunde und für alle Helfer. Dass ein Reiter tatsächlich nicht zu erwarteten Zeitpunkt zurückkehrt, ist keine Seltenheit. In diesem Fall hat das Umfeld sehr schnell reagiert. Niemand hat weggesehen. Doch oft genug bestehen Unsicherheiten: Wann soll ich Alarm schlagen?

 

Nie allein ausreiten - als wenn das so einfach wäre!

Natürlich ist ein zweiter Reiter ein zusätzlicher Faktor für mehr Sicherheit. Deshalb ist die erste Empfehlung immer: Reitet bitte nicht allein aus. Aber für manche Reiterin oder Reiter ist das nicht realisierbar. Bei einer guten Ausbildung von Reiter und Pferd, ist der alleinige Ausritt kein unkalkulierbares Risiko, erst recht nicht in bekanntem Gelände. Doch ein Restrisiko bleibt und dessen muss sich jeder Reiter bewusst sein - und darauf aufbauend Schutzmaßnahmen ergreifen.

Handy mitnehmen - Empfang nicht überall gewährleistet

Natürlich ist das aufgeladene Handy ein gutes Hilfsmittel, wenn mal etwas Unvorhergesehenes passiert. Doch das setzt ausreichend Empfang voraus. Darauf sollte man sich vor allem in Außenbereichen nicht verlassen - und da sind Reiter nun einmal vor allem unterwegs. Wichtig: Das Telefon gehört nicht ans Pferd, sondern an den Körper. "Ich will beim Ausritt meine Ruhe", kann ein nachvollziehbarer Grund sein, dass Handy zwar mitzuführen, es aber auszuschalten. Ist der Reiter nach einem Unfall aber nicht mehr in der Lage, das Handy einzuschalten, wird eine Ortung unmöglich. Aus diesem Grund sollten Mobiltelefone eingeschaltet bleiben - und entsperrt.

Tracking Apps

Ein Riesenschritt in die Richtung für mehr Sicherheit beim Outdoorsport sind Tracking Apps. Das Angebot ist riesig und bei der Auswahl gibt es einiges zu berücksichtigen. Eine App kann z.B. Angehörigen die live-Verfolgung des Ausritts am PC ermöglichen. Das macht aber nur Sinn, wenn zuhause auch jemand ist, der einen Blick auf den Monitor wirft, falls der Reiter überfällig ist. Wer allein lebt und sein Pferd in einem Stall stehen hat, in denen ein Fehlen nicht zwingend am Abend auffällt, ist mit Sensoren, die einen Sturz an den Notruf weiterleiten, besser bedient. Solche Systeme sind zumeist mit Helmen verbunden und haben sich in vielen Sportarten bewährt. Der Notruf unterbleibt, wenn der Reiter nach dem Sturz den Notruf durch Knopfdruck nicht in einem bestimmten Zeitraum deaktiviert.

Was schützt im Ernstfall?

Es gibt nichts, was im Ernstfall zu 100% für schnelle Hilfe sorgt. Ganz besonders nicht in unwegsamem Gelände. Das liegt in der Natur unseres Sports und hier geht es Wanderern, Mountainbikern und Skifahrern nicht anders. Deshalb ist es wichtig, mehrere Maßnahmen zu ergreifen, die auch recht unkompliziert sind. Als Grundvoraussetzung gilt:

1. Ausbildung von Reiter und Pferd ernstnehmen, Fortbildungen und Geländereiterkurse absolvieren. Regelmäßiger Dressurunterricht ist auch für reine Geländereiter ein zusätzlicher Garant für ein Pferd, das sich auch in ungewohnten Situationen nicht den Hilfen entzieht.

2. Jedes Durchsetzen beim Pferd im Gelände im Sinne von: "Das muss jetzt aber klappen" beim alleinigen Ausritt, erhöht das Unfallrisiko. Das Geländeritt ist kein Raum für eine Mut- oder Kraftprobe mit dem Pferd

3. Überforderung vermeiden! Auch beim Reiten in der Gruppe gilt: Der schwächste Teilnehmer bestimmt das Tempo und die Rittlänge. Rücksicht und Verantwortung sind oberstes Gebot

4. Regeln beachten! Für das Reiten im Gelände gibt es eine Vielzahl von sehr sinnvollen Regeln. Die zu erlernen ist Inhalt der Ausbildungen und Prüfungen für Gelände-, Wander- und Jagdreiter. All diese Ausbildungen helfen, das Unfallrisiko erheblich zu minimieren.

5. Materialkontrolle: Die regelmäßige Pflege von Sattel und Trensen ist absolute Selbstverständlichkeit. Sprödes oder überaltetes Material muss vor dem nächsten Ritt ausgetauscht werden.

6. Helme haben eine begrenzte Lebensdauer, abhängig von der Nutzung und auch dem Einfluss von UV-Strahlung. Hilfreiche Empfehlungen gibt es beim jeweiligen Hersteller. Nach einem Sturz muss ein Helm gegen ein neues Modell ausgetauscht werden.

7. Auch ein augenscheinlich fittes Pferd kann unter gesundheitlichen Problemen leiden, die auf einem Ausritt für Probleme und damit auch für Gefahren sorgen. Verhält sich ein Pferd ungewöhnlich, ist es schreckhafter, träger, zögerlicher, verweigert es sich unerwartet oder steifer, sind das Alarmsignale, die höchste Wachsamkeit, die ggf. den Rittabbruch erfordern. Ursache können akute - noch unerkannte - Infekte sein, ein sich entwickelnder medizinischer Notfall (Kolik, Kreuzverschlag etc.) oder ein erster Hinweis auf eine noch unerkannte Grunderkrankung (Herz, Augen etc.)

8. Strecken bekannt geben und dann auch einhalten. Simple Technik wie Tafel mit der Strecke und Abrittzeit oder High-Tec mit Sturzsensor und App helfen den Suchraum einzuengen.

Gesund ins Gelände und wieder zurück

1. Keine Geheimniskrämerei - Strecken bekanntgeben

Wenn es in der Stallgemeinschaft häufig genutzte Routen gibt, ist es eine Lösung, die Strecken oder Routen zu benennen! Beispielsweise: Die Försterroute (am Forsthaus vorbei), die Wasserroute (entlang eines Wasserlaufs) usw. Die Strecken, in einer Karte markiert, helfen Rettungskräften im Ernstfall, die Suche einzugrenzen. Aber nicht nur das: Wer unterwegs mit einem lahmen Pferd Hilfe aus dem Stall anfordert, sollte unkompliziert beschreiben können, wo er sich gerade befindet.

Wer lieber High-Tec mag kann auf Sturzerkennung und App setzen. Im Falle eines Sturzes erkennen diese über verschiedene Techniken den Sturz und/oder Trennung von Reiter und Pferd und alarmieren die Notfallkontakte mit Übermittelung des aktuellen Standorts. Dies verkürzt die Suchzeit drastisch! Wichtig ist hier: Unbedingt das Smartphone am Menschen tragen!

Bewährt haben sich Plaketten für die Boxentür/den Sattelbock, die darüber informieren, wo man unterwegs ist. Das können Plaketten mit Aufschriften oder in unterschiedlichen Farben sein, die im Stall mit den entsprechenden Strecken verknüpft sind. Die eigene Mobilnummer und die möglicher Ansprechpartner (Familie) sollten grundsätzlich im Stall hinterlegt sein.

Abrittzeit vermerken! Auch dazu eignen sich die o.g. Plaketten, alternativ Aushänge am Schwarzen Brett o.ä. Es sollte selbstverständlich sein, dass alle im Stall mit darauf achten, ob Einsteller von Ausritten zurückkehren. Ganz besonders mit Einbruch der Dunkelheit ist Wegschauen indiskutabel. Hier ist jeder in der Verantwortung. Der Geländereiter ist noch nicht zurück, aber man möchte nach Hause? Es ist Sommer, noch früh am Abend und kein Grund, beunruhigt zu sein? Für solche Fälle hilft: Der Reiter meldet sich bei Rückkehr bei dem, der als letzter zuvor den Stall verlassen hat. -> Ein einfaches Durchklingeln, eine schriftliche oder Sprachnachricht kann ausreichen. Alternativ empfiehlt sich die allgemeine Vereinbarung mit einer Notiz am Sattelbock/an der Box. Bitte kurze Rückmelde-Info an: "Name". Natürlich muss "Name" dann auch wissen, dass noch ein Reiter unterwegs ist und sich meldet.

2. Notfallplan entwickeln und Checkliste aushängen!

In jede Stallgemeinschaft, in der auch ausgeritten wird, gehört ein Notfallplan, wie zu verfahren ist, wenn jemand nicht wie erwartet von einem Ausritt zurückkehrt. Das kann folgendermaßen aussehen: 

a) Jeder, der ausreitet, hinterlässt an der Box/am Sattelbock eine für alle verständliche Information, was für ein Ritt geplant ist (Mit Augenmaß, die typische "Runde um den heimischen Busch" zählt sicher nicht dazu)

b) Alle Einsteller nehmen mit "wachen Augen" zur Kenntnis, wer und wann etwa ausreitet.

c) Spätestens mit Einbruch der Dunkelheit sind alle Einsteller vom Ausritt zurück oder melden sich von unterwegs zurück bei einer vorab vereinbarten Kontaktperson. (zB. SB)

d) Es gibt einen Hilfsplan für Reiter, die unterwegs in Schwierigkeiten geraten. Dazu gehört: Anhänger + Fahrer und Helfer.

e) Im eigenen Telefon einen ICE - Eintrag anlegen! ICE? In Case of an Emergency - Person, die bei einem Notfall zu benachrichtigen ist, wie z.B. Partnerin, Eltern, Geschwister, .... Dies mit den Personen vorab absprechen! Tipp: Man kann auch mehrere ICE Einträge anlegen: ICE - Partnerin, ICE - Mama, ... das hilft den Rettungskräften im Falle eines Falles.

Kurse helfen, über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich fortzubilden

 

 

 

 

Foto rechts: Jährliches Arendsee ETCD-FreiZeitReiter Wanderreiterlager mit Workshops

 

 

Hilfe holen, wenn Kontaktaufnahme mit dem überfälligen Reiter nicht gelingt: 

1. Der oder die Reiter sind deutlich überfällig (Augenmaß)

2. Das Wetter ist bedrohlich umgeschlagen (Sturm/Eisregen/Hochwasser/erheblicher Temperatursturz/starker Schneefall/Hagel/Starkgewitter)

3. Das Pferd kehrt allein zurück

4. Fortgeschrittene Dunkelheit, vor allem in der kalten Jahreszeit

-> Es gilt immer auch das Vermögen des Reiters und des Pferdes zu berücksichtigen. Ein erfahrener Wander- oder Distanzreiter, der in der Gruppe und mit Beleuchtung unterwegs ist, braucht auch am späten Sommerabend sehr wahrscheinlich keine Hilfe. Doch auch das sollte rechtzeitig kommuniziert werden.

 

Wer hilft?

Das Pferd kommt allein zurück

Es versteht sich von selbst, dass in diesem Fall sofort  eine koordinierte Suche beginnen muss. Auch empfiehlt es sich, zeitgleich den Rettungsdienst zu informieren, auch wenn noch völlig unklar ist, wo sich der Reiter befindet.

Der Reiter ist überfällig

Hier ist die Polizei der richtige Ansprechpartner, die die weitere Vorgehensweise planvoll koordiniert. Sind zu diesem Zeitpunkt bereits freiwillige Helfer unterwegs, ist es wichtig, dass von allen Mobilnummern zentral bei einer Person vorliegen und sich alle Helfer unterwegs erreichbar machen. Es darf nicht passieren, dass bei der Suchaktion auch noch Helfer verlorengehen.

Merke: Wenn die Polizei Hundestaffeln oder Wärmebildkameras einsetzt, kann das erfordern, dass die Freiwilligen die Suche sofort abbrechen müssen, um den Erfolg nicht zu gefährden. Auch dafür müssen alle erreichbar sein. Wärmebildkameras haben sich insgesamt bei der Personen (und Tiersuche) zunehmend bewährt. In immer mehr Regionen gibt es Drohnenpiloten mit eigenen Drohnen und entsprechenden Genehmigungen, die eine große Hilfe sein könnten. Ansprechpartner sind hier vor allem die Hegeringe und Jagdverbände (Hintergrund: Jäger helfen beim Auffinden von abgelegten Rehkitzen in der Ernte zunehmend mit Drohnen)

Was kostet eine Rettung?

Wer den Rettungsdienst ruft, geht davon aus, dass jemand in Not ist. Dafür entstehen keine Kosten

https://praxistipps.focus.de/zu-peinlich-zu-fragen-muss-man-bezahlen-wenn-man-den-notruf-waehlt_93335

Anders kann das sein, wenn für das Pferd eine Bergung erfolgen muss. Solche Maßnahmen können sehr zeitaufwändig und teuer werden. In diesem Fall kann die Feuerwehr die Kosten dem Pferdehalter anrechnen.

 

Vorbereitet sein - Sicherheit vermitteln

1. Hilfe-Kurse für Menschen UND Pferde vermitteln Sachkenntnisse und Sicherheit im Ernstfall. Erste Hilfe-Kurse für Menschen organisiert z.B. das DRK. Für die Pferde empfiehlt es sich, die regionalen Tierärzte nach einem Kurs zu fragen.

2. Professionelle Rettungsdienste

https://www.comcavalo.de/startseite.html

Com Cavalo ist ein Ausbilder für Feuerwehren bei der Großtierrettung. Eine schöne und hilfreiche Geste ist es, der freiwilligen Feuerwehr eine solche Fortbildung zu sponsern. Bei der Gelegenheit empfiehlt sich auch der Plan eines Übungseinsatzes am Stall zur Bergung der Pferde bei Feuer und der Prävention.

Absolute Sicherheit kann es jedoch nicht geben. Eine solide Ausbildung mit regelmäßiger Auffrischung und gelassene Wachsamkeit helfen, Risiken zu minimieren und Gefahren vorausschauend zu erkennen.

https://www.hessenschau.de/panorama/seit-donnerstag-in-modautal-vermisst-28-jahre-alte-reiterin-tot-aufgefunden-v2,unfall-reiterin-vermisst-tot-modautal-100.html

CS

 

 

 

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