Ein Gespräch mit Martin Stellberger: Abenteurer, Autor, Wanderreiter, Ehrenamtler und Zeitzeuge 

 

Was hat dich zu deinem Grenzritt motiviert?

Die Grenze war ein Dorn im Leben meiner Familie. Mit meiner Mutter besuchte ich in den 1950er Jahren mehrfach die Großeltern in ihrer Heimatstadt Halle an der Saale. Nie vergaß ich die Grenzkontrollen durch die Vopos und die Russen. Ich habe die Grenze nie akzeptiert. 1981 war ich mit zwei Freunden in Dresden. Mit meinen Schülern habe ich alle Abschlussfahrten nach Berlin gemacht mit Pflicht Ostberlin, 1990 nach Dresden. Nach dem Mauerfall war ich häufig und sehr aktiv in Pirna und Dresden.

Wie kam es dann zur Realisierung Deines Grenzrittes?

Auf den Fahrten entwickelte sich der Wunsch, das Grenzgebiet als Wanderreiter zu erleben. Das war die beste Entscheidung meines Reiterlebens. Meine Erlebnisse, Begegnungen und Gespräche habe ich so ausgerichtet: Wie haben die Menschen im Grenzgebiet Ost gelebt? Woran erinnern sie sich? Was hat sie geprägt? Wie haben sie die Wende erlebt und gemeistert?

Aus dem Tagebuch entstand dann Dein Buch?

Ja, ich habe alles notiert und dann in Buchform gebracht. Alle Begegnungen und persönlichen Geschichten meiner Gastgeber habe noch einmal nachgeprüft, inhaltlich von meinen Gastgebern bestätigen lassen. Ich durfte auch deren Namen nennen. Was ich also aufgeschrieben habe, ist wahr und authentisch.

Deine persönlichen Erinnerungen an die Reise?

Mit der 25-Jahr-Feier der Wiedervereinigung erschien mein Buch. Ich hielt unzählige Vorträge in ganz Deutschland, was ich anfangs nicht für möglich hielt. Aber ich wurde immer wieder angefragt. Sogar aktuell stehen wieder drei Vorträge im Kalender. Diese Nachhaltigkeit überrascht mich immer wieder. Und so bleiben auch die kleinsten Datails meiner Reise präsent. Immer, wenn ich einen Vortrag halte, spüre ich selbst, wie nah ich diesem Ritt mit meinem treuen Flamenco noch heute bin. Was mich bis heute beeindruckt: Ich kam zu meinen Gastgebern als Fremder und ging als Freund. Nie wurde ich abgewiesen. Immer fand sich ein Quartier.

Apropos Flamenco. Was ist er für ein Pferd gewesen?

Flamenco Star ist mütterlicherseits rein trakehnisch gezogen mit Pergamos, Schabernack und Jugor als Ahnen. Väterlicherseits ist er Westfale und geht sogar auf Ramzes A.A. zurück. Flamenco war ein Fuchs mit Stern und eine absolut zuverlässige Persönlichkeit. Ich habe ihn vierjährig bekommen, "vielseitig" ausgebildet, habe aber meine Turnierkarriere nicht mehr fortgesetzt. Ich habe Flamenco 25 Jahre geritten und gehütet. Er war nie wirklich krank, bis ihn dann 2019, 29jährig, eine schwere Kolik bezwang. Das war ein schwerer Abschied von diesem Pferd, das mich so geprägt hat. Heute steht mir mein Schimmel Solano zur Seite. Er stand noch mit Flamenco auf der Weide bis zum Schluss. Solano ist ein ebenbürtiger Nachfolger und hat einen ähnlich treuen Charakter. Er hat mir meine Reiterei gerettet. Mein Motto greift deshalb  bis heute: Höre nicht auf mit dem Reiten, wenn Du alt wirst. Du wirst alt, wenn du mit dem Reiten aufhörst.

 

Das Interview mit Martin Stellberger führte Carola Schiller

 

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