von Martin Stellberger.
Warendorf. Der Reitausbilder trägt Verantwortung, hat Pflichten und haftet im ungünstigsten Falle auch selbst. Das ist eine Binsenweisheit. Und dennoch hatte die FN ein Online-Seminar zu genau diesen Themen angeboten. Über 300 Teilnehmer aus ganz Deutschland waren dem Online Seminar zugeschaltet, sagte Lina Otto von der FN, die die Veranstaltung moderierte. Dr. Constanze Winter war als Referentin eingeladen und rollte als versierte Juristin mit Pferdesporterfahrung die Problemfelder aus. Eigentlich waren alle Fakten „irgendwie bekannt“, denn Reitausbilder hören bei ihrer eigenen Schulung und Weiterbildung immer wieder davon. Doch die detailreich und fundiert dargelegten Einzelthemen sind immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, um Routine zu vermeiden. Denn Routine ist bekanntlich der große Bruder des Leichtsinns oder der Nachlässigkeit.
Constanze Winter hatte sich auf drei Themen vorbereitet: Verantwortung, Pflichten und Haftung eines Ausbilders im Pferdesport.
Reitlehrer ist die wichtige Bezugsperson
Gerade wenn Kinder in der Reitanlage Unterricht bekommen, geht es nicht nur um das Reiten. Der Reitlehrer muss die Aufsichtspflicht und die Sorgfaltspflicht sehr ernst nehmen! Beide Pflichten lassen sich nicht trennen, betonte Dr. Winter. Aber gerade wenn es Reitschüler betrifft, die „noch nicht für sich selbst sorgen können“, also Kinder, ist der Reitlehrer „die wichtigste Bezugsperson“ während des Aufenthalts auf der Reitanlage. Der ist quasi „für alles verantwortlich, was rund um den Reitunterricht abläuft“. In diesem Zusammenhang schlug die Juristin vor, als Reitlehrer immer dafür zu sorgen, dass er nicht alleine vor Ort ist. Sehr hilfreich sei es, zumindest einen erfahrenen, zuverlässigen Pferdefreund in „Rufnähe“ zu haben, sollte etwas vorkommen, wobei der Reitlehrer Hilfe bräuchte. Schließlich ist Reiten zwar toll, aber eben auch nicht ungefährlich. Gefahren-potential gibt es aber auch außerhalb der Reitstunde zum Beispiel beim Vorbereiten der Pferde im Stalltrakt. Alles im Blick zu haben, wenn Kinder herumwuseln, ist auch für erfahrene Ausbilder eine Herausforderung.
Reitausbilder muss eine klare Linie haben
Weil die Verantwortung des Reitausbilders so groß ist, empfiehlt die Juristin: „Der Ausbilder ist verantwortlich erstens für seinen Unterricht selbst und dann für das Verhalten der Reitschüler im Allgemeinen. Schließlich ist er ja auch eine Art Erzieher. Die Eltern geben nämlich ihre Kinder für eine gewisse Zeit in seine Obhut! Das heißt, neben der sachlich-fachlichen Schulung der Kinder muss der Ausbilder auch Konfliktfelder erkennen. Erfahrung ist da gut, denn so kann er sich schon in der Vorbereitung „überlegen, wie er mögliche Konflikte angeht“. Ebenso klare Linie müsste der Reitausbilder auch gegenüber den Eltern einhalten, denn diese sind ja letztlich seine Vertragspartner. Und hier empfiehlt die Juristin entschieden: „Es ist gut, wenn man den Vertrag über den Reitunterricht und den Aufenthalt auf der Reitanlage schriftlich fixiert und die Spielregeln ebenfalls formuliert. Dann ist man in der Regel gut gefeit, wenn es einmal zu Problemen kommt!“ Deshalb ist auch eine Versicherung wichtig. Zwar sei der Ausbilder durch den Verein versichert, in dessen Auftrag er handelt, ebenso wenn eine Betriebshaftpflichtversicherung besteht, aber: „Kein Verzicht auf Versicherung!“ rät Dr. Constanze Winter.
Risikoanalyse ist wichtig
Zu den Pflichten des Ausbilders gehört auch die sogenannte „Risikoanalyse“: Der Ausbilder muss sich ein Bild davon machen, was seine Reitschüler können oder noch nicht können, ob sie für bestimmte Aufgaben zu Pferd schon die nötige Übung haben, ob sie körperlich für die gestellten Aufgaben fit genug sind, ob er Anfänger oder Fortgeschrittene vor sich hat oder gar Reitschüler mit einem Handicap. Je besser er seine Reitschüler kennt, desto genauer kann er auch deren Charakter einschätzen. Dr. Winter sagte außerdem eindringlich: „Egal, was und wie der Aufenthalt auf der Reitanlage abläuft: der zuständige Ausbilder muss immer ansprechbar sein und bleiben, so lange jedenfalls, bis das letzte Kind abgeholt wurde oder mit dem Segen der Eltern alleine auf dem Heimweg ist. Selbst wenn die Reitstunde zu Ende ist, der Reitlehrer eigentlich Feierabend hat, bleibt er verantwortlich für jedes Kind, bis es abgeholt wurde, vor allem dann, wenn sich Eltern verspäten. Er muss zudem wissen und sich sicher sein durch Absprache mit den Eltern, dass auch eine andere Person ein Kind abholen darf.
Kein Kompromiss beim Reithelm
Zur Frage aus dem Teilnehmerkreis des Seminars zum Thema Reithelm sagte die Juristin: „Der Reitlehrer macht von Beginn an deutlich, dass nur teilnehmen darf, wer einen Reithelm trägt. Das gelte für Kinder wie Erwachsene. Der Ausbilder darf nicht gegen seine eigene Haltung verstoßen und „Ausnahmen“ zulassen. Der Rat: Wer keinen Reithelm tragen will, darf nicht mitreiten!“ Eine Gefahrenquelle „ohne steifen Hut“ darf man einfach nicht zulassen. Das gilt auch für die Kenntnis möglicher Gefahrenquellen auf der Reitanlage in Bezug auf Unfallgefahr auch ohne Pferd. Hier ist der „Augenschein“ wichtig, so dass der Reitlehrer auch Regeln für ein bestimmtes Verhalten auf der Reitanlage einfordern kann.
Erklärung und Überzeugung gehören zum „Portfolio“ eines Ausbilders
Geht man noch tiefer auf die „Pflichten“ des Ausbilders ein, so muss dieser sich Gedanken darüber machen, wie er die „Tagesform“ der Schulpferde, aber auch der Kinder einschätzt. Er muss also in der Lage sein, das Vorgehen bei der geplanten Trainingseinheit anzupassen. Was nicht sein soll, so Dr. Winter: „Überreden Sie ihre Reitschüler nicht zu einer Leistung, die er oder sie sich nicht zutraut. Andererseits gilt das auch umgekehrt: Eifrige Schüler sollten ihren Eifer nicht miss-verstehen und mehr leisten wollen als sie tatsächlich können. Hier muss der Ausbilder auch fähig sein, einmal nein zu sagen. Das sollte er dann aber auch begründen und den Reitschüler über-zeugen.
Ernstfall proben
Reitsport kann gefährlich sein, betont Dr. Constanze Winter. Deshalb rät sie dazu, „den Ernstfall zu proben“. Das lässt sich gut machen auch ohne Pferd oder mit einem Holzpferd der Voltigiergruppe. Solche Übungen bringen Sicherheit auf beiden Seiten. Und: Gut ist es, wenn der Ausbilder dann auch tatsächlich auf einen Helfer zurückgreifen kann, der ihn bei der Bewältigung eines Ernstfalles unterstützt: Wegbringen der Pferde, Betreuung der möglicherweise geschockten Schüler… Solche Übungen schaffen Verständnis und die Fähigkeit, im entsprechenden Fall Ruhe zu bewahren: Jeder weiß, was zu tun ist! In diesem Zusammenhang rät die Juristin dazu, den eigenen Stand „Erste Hilfe“ immer wieder zu erweitern durch regelmäßige Schulung.
Elternabend sichert Verständnis
Für die Ausbilder hatte Dr. Constanze Winter noch einen weiteren Vorschlag parat: Wenn eine neue Gruppe zusammengestellt wird für regelmäßigen Reitunterricht, bietet sich ein Elternabend an. Hier kann man die Spielregeln erklären und deren Einhaltung einfordern, Eltern Sicherheit vermitteln und sie mit einem guten Gefühl für die Sorgfalt der Ausbilder ausstatten. Auch lassen sich Vor-gaben für die geforderte Ausrüstung erläutern und die Helmpflicht als gesetzt darstellen. Im Übrigen gilt das „gute Gefühl“ der Eltern auch für Situationen am Rande des Reitunterrichts. Der Ausbilder hat auch das individuelle Sicherheitsgefühl seiner Schützlinge im Blick und damit das Vertrauen der Eltern und sorgt dafür, dass die Reitschüler unbehelligt und ohne Belästigung die Einrichtungen der Reitanlage nutzen können und sei es auch „nur“ der Umkleideraum.
Ausbilder sind nicht allein bei Haftungsfragen
Als Zugabe für die Sicherheit der Ausbilder erklärte Dr. Constanze Winter: „Es heißt zwar immer, der Ausbilder steht mit einem Bein im Gefängnis! Aber das ist nicht ganz so, denn: Es gibt einen Sportrechtsschutz über die Vereine und die Landessportbünde. Bei Haftungsansprüchen steht der Ausbilder nicht alleine, zumal er seiner Sorgfaltspflicht nachkommt.“ Dabei seien Fahrlässigkeit und Vorsatz allerdings Problemfelder, die man einfach meiden muss.
Um die vielen Details des Seminars nicht im Orkus der Umlaufbahn Reitschule versickern zu las-sen, sagte Moderatorin Lina Otto zu, dass alle Teilnehmer die PowerPoint-Präsentation der Referentin als PDF zugestellt bekommen ebenso wie die Teilnahmebescheinigung, die man als Nachweis für die Weiterbildung nutzen kann. Außerdem steuerte die Referentin einen Link bei, der ihr Seminarthema in aller Breite behandelt: